09. März 2023, 18:17 Uhr

Ein mutiger Anhänger hat Recht behalten

09. März 2023, 18:17 Uhr
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Aus der Redaktion
Die Kegler des KC 88 Wettenberg feiern nicht nur die Hessenmeisterschaft, sondern auch den Zweitligaufstieg (von links): Jan Anders, Kai Uwe Schnell, Martin Albach, Kai Göbler, Tino Anders, Jörg Schnell und Patrick Schnell. Es fehlt: Christian Lenz.

. »Keine Abgänge plus jugendlicher Sturm, das könnte was werden«, so lautete der mutige Kommentar eines Kegelsport-Anhängers, der vor Saisonbeginn als einziger im Rahmen einer Online-Umfrage auf die Hessenliga-Meisterschaft des KC 88 Wettenbergs tippte.

Kurzum, es hatte kaum jemand damit gerechnet, dass aus der offensichtlich mit sehr guter Mischung aus »jung und erfahren« besetzten Wettenberger Truppe schon zu einem frühen Zeitpunkt der Serie ein Anwärter auf den Titel werden sollte. Alle anderen hatten die üblichen Verdächtigen im Blick, in erster Linie die ehemaligen Bundesligisten, allen voran aber den ambitionierten, letztjährigen Vizemeister und Osthessenvertreter KSG Hönebach-Ronshausen. Dieser hatte sich mit dem Erstliga-Spieler und Rückkehrer Andreas Sekulla deutlich verstärken können und stand damit bei den meisten ganz oben auf der Liste. Den zuvor über Jahre von Abstiegsängsten geplagten KC 88 hatte daher niemand auf der Rechnung.

Wettenberg hatte sich aber bereits im Vorjahr - dank des spielstarken Nachwuchses - mit Platz fünf aus der Abstiegszone verabschieden können und ausgerechnet beim Favoriten in Ronshausen startete das Überraschungsteam am vierten Spieltag der laufenden Saison seine Erfolgsgeschichte mit einem unerwarteten Auswärtspunktgewinn. Dieser zählte doppelt, da damit die zuvor eingenommene Tabellenführung verteidigt wurde. Platz eins gaben die Wettenberger auch lange Zeit nicht mehr her. Es folgte mit dem unverhofften Auswärtssieg beim Zweitligaabsteiger KSG Neuhof am neunten Spieltag ein weiterer Coup. Erst da kam es auch in den Köpfen der Wettenberg an: da geht was!

Das Jahr 2022 beendete der KC 88 durchaus zuversichtlich mit drei Punkten Vorsprung an der Spitze gegenüber der noch verbliebenen Konkurrenz, der Reiskirchen/Alten-Busecker-Spielgemeinschaft M85 Mittelhessen. Das Polster sollte zum Jahresauftakt 2023 bei zwei Auswärtsaufgaben in Baunatal und Fulda zumindest mit je einem Teilerfolg ausgebaut werden, doch weit gefehlt: es setzte für Wettenberg unerwartet zwei Nullnummern, die Tabellenführung wechselte prompt mit dem 15. Spieltag Mitte Januar an den ehemaligen Bundesligisten Mittelhessen.

Das Saisonfinale versprach von nun an Hochspannung. Doch die inzwischen zuhause scheinbar unantastbaren Wettenberger - Schnell und Co. schlossen die Runde auf den Holzbahnen im Wißmarer Bürgerhaus mit weißer Weste ohne Punktverlust ab - gaben Vollgas, ließen an den verbleibenden drei Spieltagen zwei souveräne Heimsiege und einen weiteren klaren Auswärtsdreier beim Schlusslicht Kassel folgen. Mit der vollen Punkteausbeute von »neun aus neun« war die Meisterschaft perfekt und die Freude über den Triumph am letzten Spieltag vor heimischen Publikum entsprechend groß.

Das Erfolgs-Team

Jörg Schnell (62 Jahre alt, Beruf Fleischermeister) ist lizenzierter B-Trainer und unter anderem zuständig für die Mannschaftsaufstellung der sechs Spieler, was aufgrund des zuletzt zur Verfügung stehenden Achter-Kaders nicht ganz einfach war. Gerne hat der umsichtige Teamchef daher seinen Platz ab und an mal für den Einsatz eines Nachwuchsspielers zur Verfügung gestellt, wenn ihm dies vertretbar erschien, und der Nachwuchs enttäuschte nicht. Sein Sohn Patrick Schnell (33, Wirtschafts-Ingenieur und Prokurist in einem regionalen, mittelständischen Unternehmen) ist als Sportwart der sportliche Leiter des Vereins, stand in der Serie hauptsächlich für die Heimspiele zur Verfügung und war dort stets eine Bank. Kai Uwe Schnell (55, Systemelektroniker), Bruder von Jörg Schnell, als ehemaliger Fußball-Profi und Späteinsteiger in den Kegelsport einer der Haupt-Leistungsträger des KC. Christian Lenz (49, Hotelkaufmann), wechselte einst von Heuchelheim nach Wettenberg und betreibt durch Schicht- und Wochenenddienste wohl den größten Aufwand aller Beteiligten, um seine Einsätze am Wochenende wahrnehmen zu können. Martin Albach (50, Dreher und Fräser im Maschinenbau) kam im Laufe der Saison im Oktober 2022 nach einer zweijährigen Verletzungspause nach Wettenberg, um das Perspektiv-Team zu unterstützen. Er brachte neben seiner Spielstärke auch enorme Erfahrung aus vielen Jahren Bundesliga mit. Tino Anders (17, Schüler der 12. Klasse Theodor-Litt-Schule) ist der Youngster, stand bereits mit sechs Jahren auf der Kegelbahn und zählt mit zu den größten Nachwuchstalenten im Schere-Kegeln. Sein Bruder Jan Anders (20, Student in Gießen) sorgte insbesondere zu Beginn der Saison mit bärenstarken Ergebnissen für wichtige Auswärtszähler. Am Ende musste sich der U24-Nationalspieler in der Rangliste lediglich dem Ronshausener Sekulla geschlagen geben. Kai Göbler (21, Student in Gießen) verzeichnete zusammen mit Jan Anders die größte Leistungssteigerung im Vergleich zum Vorjahr und trug damit maßgeblich dazu bei, dass wichtige Punkte bei den Wettenbergern blieben.

Für Wettenberg geht es jetzt vermutlich in der neuen Saison in die 2. Bundesliga Nord mit den weitesten Fahrten nach Niedersachsen und einigen Gegnern in NRW. Aufgrund der zentralen Lage Wettenbergs wäre theoretisch auch eine Zuordnung in die Südgruppe möglich, dann führten die Wege bis ins Saarland und Rheinland-Pfalz.

Der Aufwand im Vergleich zur Hessenliga ist unweigerlich deutlich höher, doch das Team freut sich sehr auf die neue Herausforderung. Bleibt es bei der zuletzt gezeigten Leistung, so ist auch ein direkter Klassenerhalt durchaus machbar.



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