16. Dezember 2020, 21:51 Uhr

»Wähler werden das respektieren«

Monatelang tobte der Kampf um die Bäume, die für den Weiterbau der A 49 gefällt wurden. Und bei den hessischen Grünen wird weiter heftig darum gestritten. Dabei sind die scharfen Kritiker des polizeilichen Vorgehens in der Minderheit. Die heimische Grünen-Landtagsabgeordnete Eva Goldbach über gewissenlose Extremisten, heftige Schmähungen gegen ihre Person und den Weihnachtswunsch einer Pfarrerstochter.
16. Dezember 2020, 21:51 Uhr
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Von Kerstin Schneider

Frau Goldbach, verraten Sie urgrüne Ziele, weil die A 49 gebaut wird?

Die Grünen verraten keine grünen Ziele. Unsere Haltung ist klar: Über den Bau der A 49 wurde nicht in Hessen entschieden, sondern im Bund. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht hat die Pläne gebilligt. Es wäre sehr unglücklich, eine auf rechtmäßige, den demokratischen Regeln eines Verfassungsstaats entsprechende Weise getroffene Entscheidung zu ignorieren, bloß weil sie einer Partei nicht passt. Würden wir das tun - es

wäre der Willkür künftig Tür und Tor geöffnet. Das kann niemand wollen. So viel politischen Weitblick, so viel historisches Gedächtnis sollte man haben, wenn man Politik für alle macht.

Nicht wenige Kritiker meinen, die Grünen hätten die Möglichkeit, den Weiterbau zu stoppen.

Wir haben in den Koalitionsvertrag geschrieben, was geltende Rechtslage ist: Wenn der Bund dieses Projekt umsetzen will, wenn er es finanzieren kann und wenn Gerichte bestätigt haben, dass die Planungen rechtmäßig waren, dann können wir das Projekt nicht verhindern. Auf Bundesebene könnte man das sehr wohl. Deshalb hat unsere Bundestagsfraktion noch einen Antrag auf ein Moratorium eingebracht. Dieser Antrag wurde von der Mehrheit des Bundestages abgelehnt

Wie stehen Sie zu den Ereignissen im Dannen- röder Forst?

Ich war dieser Tage vor Ort, um mir ein Bild von der Lage zu verschaffen. Ich habe viele junge Leute gesehen, die mit guten Motiven gegen die Rodung der Bäume demonstrierten. Mit einigen davon habe ich länger gesprochen. Ich kann sagen, dass das gute Gespräche mit intelligenten Menschen waren, auch wenn wir uns am Ende einig waren, dass wir unterschiedliche Grundauffassungen haben und dass wir auch dabei bleiben. Ich habe auch mit Polizeibeamten gesprochen. Auch die Polizei war gutwillig, sie war von der Einsatzleitung gut eingestellt, und hat ihr Bestes gegeben. Was mir Sorgen machte, sind Protestierer, denen es nicht um den Erhalt des Waldes oder um eine bessere Klimapolitik gegangen ist, sondern nur darum, den Staat vorzuführen, und die dabei auch nicht vor Gewalt zurückschrecken. Das sind letztlich gewissenlose Extremisten, mit denen die friedlichen Aktivisten und deren Unterstützer keine gemein- same Sache machen sollten. Mein Eindruck ist, dass die friedlichen Aktivisten von den Extremisten instrumentalisiert werden. Das bedauere ich ganz außerordentlich.

Haben Sie damit gerechnet?

Ja, mit einer solchen Eskalation war zu rechnen, auch wenn ich mir erhofft hatte, dass es nicht so dramatisch werden würde. Die Aufrufe waren und sind ja bekannt. Es ist ja auch nicht so, dass die Sicherheitsbehörden nicht wüssten, mit wem sie es da zu tun haben.

Hat Sie als Landtagsabgeordnete in den vergangenen Wochen viel Kritik erreicht? Wie gehen Sie damit um?

Ja, mich erreichten und erreichen sehr viele E-Mails. Die E-Mails sind ganz unterschiedlich. Es gibt solche, deren Kritik zugleich von Verständnis für politische Realitäten getragen ist. Und es gibt auf der anderen Seite des Spektrums solche, die sich in den übelsten Schmähungen gegenüber meiner Person oder meiner Partei ergehen. Wut und Trauer, Empörung und Hilflosigkeit, Enttäuschung und Trotz sind allerdings die häufigsten Emotionen, die mir hier begegnen.

Können Sie die Argumente der Ausbaugegner nachvollziehen?

Ja, ich kann das nachvollziehen. Meine Partei und ich waren immer gegen dieses Verkehrsprojekt, nicht nur als strukturpolitisches Symbol, sondern auch wegen des Landschaftsverbrauchs, wegen des Eingriffs in eine einigermaßen intakte Natur. Dass viele Menschen nicht verstehen können, dass hier und heute ein Projekt verwirklicht wird, obwohl es in den Augen vieler nicht mehr in die Zeit passt, ist doch auch nachvollziehbar. Als gelernte Landschaftsgärtnerin habe ich unzählige Bäume gepflanzt und weiß, wie lange es dauert, bis sie wirklich groß sind. Es tut mir weh, die Bäume fallen zu sehen.

Haben Sie Sorge, dass sich im Zuge der Auseinandersetzung Wähler von den Grünen abwenden?

Die Sorge gibt es, damit müssen wir aber leben. Wir können unsere auf Verlässlichkeit und Langfristigkeit ausgelegte Politik nicht davon abhängig machen, dass uns andernfalls Wähler abhandenkommen. Das fände ich unredlich. Ich bin aber zuversichtlich, dass es Wähler gibt, die unsere Haltung - demokratische Entscheidungen sind zu respektieren - honorieren. Wir werden sehen.

Wie geht es weiter?

Als Pfarrerstochter wünsche ich mir einen Vorweihnachtsfrieden. Aber im Ernst: Die friedlichen Demonstranten, die Aktivisten, die an der Sache interessiert sind und nicht am Krawall, an der Gewalt, sollten zwischen sich und den Extremisten eine Linie ziehen, sollten ihnen die Unterstützung entziehen, sollten sich nicht länger instrumentalisieren lassen. Ich wünsche allen Beteiligten, dass sie an Weihnachten sicher und geborgen sind.



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