Der Präsident des Polizeipräsidiums Mittelhessen, Bernd Paul, hat vor einer Eskalation der Proteste um den Weiterbau der A 49 im Dannenröder Forst gewarnt. »Gefährdungen und Straftaten nehmen wir nicht hin«, sagte er im Rahmen eines Pressegesprächs. Er appellierte an den »überwiegend friedlichen Teil« der Demonstranten, sich nicht von einem harten Kern instrumentalisieren zu lassen, der über den Protest hinausgehend Straftaten begehe und Gewalt gegen Polizisten anwende. Diesen Kern ordnete er der linksextremen Szene zu.
Die A 49 soll nach dem Lückenschluss Kassel und Gießen miteinander verbinden. Umwelt- und Klimaschützer besetzen seit über einem Jahr den Dannenröder Forst, um die Rodungsarbeiten zu verhindern. Befürworter versprechen sich eine bessere Verkehrsanbindung und weniger Fahrzeugaufkommen in den Dörfern, Gegner halten das Projekt in Zeiten der Klimakrise für anachronistisch. »Die Polizei steht auf keiner dieser beiden Seiten«, betont Paul. »Wir stehen auf der Seite des Rechts.«
Es habe viele Möglichkeiten gegeben, das Projekt zu hinterfragen oder zu stoppen. Fakt sei: Der Ausbau sei durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig. Unter den Demonstranten seien »viele liebe, junge und engagierte Menschen«, sagte Paul. Das Gros der Gegner vor Ort sei bürgerlich, setze sich für Umwelt- und Naturschutz sowie die Verkehrswende ein.
Seitdem Auswärtige wie aus Leipzig-Connewitz oder Hamburg dazugestoßen seien, habe sich die Situation aber verändert, sagt der Polizeipräsident. Sie sei schwieriger für die Einsatzkräfte geworden. Er nannte Brandvorrichtungen, Fallen, Nagelbretter und Zwillen, die gegen die Polizisten eingesetzt werden. Sie würden mit Exkrementen beworfen und beleidigt. »Das tut weh«, sagte Paul, »wir wünschen uns einen sachlichen Dialog«. Auf der anderen Seite findet es der Behördenchef erschreckend, wenn in sozialen Medien dazu aufgerufen wird, die Protestler von den Bäumen zu schießen. »Diese Verrohung hilft uns nicht weiter«, sagte Paul.
Er nahm auch Stellung zu den Vorfällen am 15. und am 21. November: Zwei Protestler waren von einer Konstruktion aus großer Höhe auf den Boden gestürzt. In beiden Fällen werden Vorwürfe erhoben, die Polizei habe die Seile durchschnitten. Paul betonte, Fälle wie dieser würden »sauber von einer anderen Dienststelle, dem Landeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft, als neutrale Instanz, ausermittelt« und daraus Konsequenzen gezogen. Er appellierte an die Demonstranten, sich nicht selbst in Lebensgefahr zu bringen und solche »nicht immer nachvollziehbaren Seilkons-truktionen« aufzuzeigen. »Die Gefahr ließe sich vermeiden, wenn die Leute das sein lassen würden«, sagt Paul. »Ich habe diesbezüglich große Sorgen.«
Bisher seien »Hunderte« Protestler mit großem Aufwand von Polizeibeamten von den Bäumen geholt worden, resümiert Paul den seit einigen Wochen andauernden Polizeieinsatz. »Wir wollen, dass dies sicher geschieht und informieren die Gegner im Vorfeld über die nächsten Schritte.«
Auch das ruppige Auftreten mancher Polizeibeamter war zuletzt immer wieder kritisiert worden. Paul wies darauf hin, dass neben Einsatzkräften der Bundespolizei und aus Hessen auch Polizisten anderer Bundesländer am Einsatz beteiligt seien. »Wir sind froh über diese Unterstützung«, sagt der Polizeipräsident. »Wir sprechen das gegenüber allen Einsatzkräften an«, betonte Polizeisprecher Jörg Reinemer.
Einsatz geht weiter
Das Hygienekonzept der Polizei im Hinblick auf die Corona-Pandemie bezeichnet Paul als erfolgreich: Bisher habe es einen positiv getesteten Vollzugsbeamten des Polizeipräsidiums Mittelhessen gegeben, der sich im Dienst infizierte. Optimistisch zeigt sich Paul, dass der aktuelle Einsatz bis Ende des Jahres beendet werden könne. Danach werde aber nicht Schluss sein mit Protestaktionen - und damit auch nicht für die Polizei.