20. November 2019, 18:00 Uhr

Inhaberwechsel TANZSCHUH-BOUTIQUE UNGER

Erika Unger übergibt Tanzschuh-Boutique nach 40 Jahren

Mit ihrer Licher Boutique für Tanzschuhe hat sich Erika Unger einen Namen gemacht und auch Meister dieses Sports ausgestattet. Nun übergibt sie den Laden an die nächste Generation und blickt zurück.
20. November 2019, 18:00 Uhr
Jonas_Wissner
Von Jonas Wissner
Nach gut 40 Jahren übergibt Erika Unger ihre Boutique für Tanzschuhe nun offiziell an ihren Sohn Harald Unger. Foto: jwr

Was macht einen guten Tanzschuh aus? Wer diese Frage in der Boutique Unger stellt, sollte etwas Zeit mitbringen. Wenn Erika Unger und ihr Sohn Harald über Modelle fachsimpeln, klingt es nach einer ganz eigenen Wissenschaft. Es gehe darum, ob man diagonal oder gerade tanzt, wo der Körperschwerpunkt liegt, erläutern sie. Sie sprechen über glatte und raue Sohlen, über Tücken des Materials. »Entscheidend ist nicht, was gerade in ist«, sagt sie. Am Ende habe sie noch für jeden Kunden das passende Schuhwerk gefunden - und damit viele glücklich gemacht. Auch Größen des Tanzsports haben hier gekauft, der kleine Laden ist über die Jahrzehnte zu einer überregional renommierten Adresse geworden. Nun, nach rund 40 Jahren, gibt die Inhaberin die Boutique in die Hände ihres Sohnes.

Tanzschuhe sind seit vielen Jahren nicht aus Erika Ungers Leben wegzudenken - und ebensowenig der zugehörige Sport. Als junge Frau arbeitete sie in einer Tanzschule in Darmstadt. 1959 heiratete sie Peter Unger, die beiden gründeten eine Familie und ließen sich schließlich in Lich nieder. Nicht nur zu Hause waren sie ein Paar, sondern auch auf dem Parkett. Pokale und Fotos in der Boutique zeugen noch heute von dieser erfolgsgekrönten Zeit, unter anderem von der gewonnenen Hessenmeisterschaft 1969.

In den vergangenen Jahren habe der Tanzsport eine Renaissance erfahren, erläutert Harald Unger, das sei auch Fernsehshows wie »Let‘s Dance« geschuldet. »Endlich wird bewiesen, dass es sehr gut für den Körper ist«, sagt er. »Wer meint, Joggen sei anstrengend, der sollte mal Wiener Walzer tanzen.« Landauf, landab seien Tanzschulen heute »am Limit, voll«, so groß sei das Interesse.

Heute sei unter anderem Discofox bei Tanzwilligen wieder schwer im Kommen, sagt Unger. Was auf dem Parkett gerade angesagt und was verpönt ist, sagt auch etwas über die Gesellschaft insgesamt aus. Als Erika Unger in den 1950ern eine junge Tänzerin war, hätten gerade die Älteren noch viele Vorbehalte gegen moderne Tänze gehabt, erzählt sie. Es war die Zeit nach dem Krieg, und mit den Soldaten aus den USA schwappten auch Lebensgefühl und Moden über den großen Teich. »Boogie-Woogie hat man in der Tanzschule abends ab elf getanzt, wenn die Alten weg waren«, blickt sie zurück, während ihr Sohn die passenden Tanzschritte vormacht. »Das war die Zeit von Elvis Presley, Mitte der 50er. Er hatte sehr enge Hosen an, das fanden viele Eltern nicht gut.«

Der überschaubare Raum, in dem sich heute Schuhpaare mit und ohne Karton in Regalen türmen, war schon vor Eröffnung der Boutique ganz dem Tanz gewidmet, wie Erika Unger erläutert. »Hier sollten eigentlich die Öltanks rein.« Stattdessen wurde der Raum zum Tanzen genutzt, wovon heute noch die Spiegel an der Wand zeugen. Damals lag hier noch Parkett und es gab eine kleine Bar. »Hier haben wir Parties gefeiert, aber wie!«

Danach wurde der Raum zu einer Hochburg der Tanzschuhe. Anfangs, berichtet Unger, habe sie Schuhwerk für ihren Gießener Tanzclub organisiert. »Mit sechs, sieben Kartons habe ich angefangen«, sagt die scheidende Inhaberin - das ist heute mit Blick auf die vollen Regale kaum noch vorstellbar.

Bei der Suche nach dem jeweils passenden Tanzschuh hat die Inhaberin über Jahrzehnte mit viel Fußspitzengefühl ungezählten Kunden weiterhelfen können. Das ist im Tanzsport vielleicht schon die halbe Miete, doch ein guter Schuh macht freilich noch keinen guten Tänzer. »30 Prozent ist Ausstrahlung, es muss schon besonders aussehen«, sagt Harald Unger. Er weiß, wovon er spricht, betreibt diesen Sport selbst sehr aktiv. Bis es nach Leichtigkeit aussieht, bedarf es viel Übung. Immer wieder hat Erika Unger auch angehenden Ehemännern auf die Sprünge geholfen, die des Tanzens nicht mächtig waren. »Es hat immer geklappt«, sagt sie. Am wichtigsten sei, dass man sich mit dem Rhythmus bewegt, »gegen den Takt ist es schwierig«. Erika Unger ist inzwischen 82 Jahre alt. Die Leichtigkeit von einst ist beim Tanzen dahin, Unger hat mit körperlichen Beschwerden zu kämpfen. Doch die richtigen Schritte und das Zählen dazu hat sie noch immer im Blut. »Wenn man am Anfang richtig steht, kann man sich auch nicht auf die Füße treten.«

Auch jenseits des Parketts ist Erika Unger sportbegeistert. Mit 53 fing sie an, Tennis zu spielen, noch vor wenigen Jahren hat sie sich auf ein Surfbrett gewagt. Heute pflegt sie ihren Mann, mit dem sie früher ein erfolgreiches Turnier-Tanzpaar bildete. »Tanzen - da kann ich gar nichts mehr machen«, sagt die Licherin mit betrübter Miene. »Mama, du hast 50 Jahre getanzt!«, tröstet ihr Sohn.

Allmählich wird es am Nachmittag eng in der kleinen Schuhboutique. Ein Kunde nach dem anderen kommt herein und wird von Harald Unger und einer Mitarbeiterin beraten. Erika Unger sitzt dazwischen, wirkt, umgeben von ihrem Lebenswerk, fast ein wenig verloren. Für sie ist die Zeit zum Aufhören gekommen - und sie ist froh, dass ihr Lebenswerk weiter Bestand hat.

Erika Unger übergibt die Geschäftsführung ihrer Boutique für Tanzschuhe nach gut 40 Jahren an ihren Sohn Harald. Auch er hat wiederum seit knapp 40 Jahren mit Schuhen einiges am Hut: Einst war er bei »Diamant« in Bad Sooden in der Produktion tätig, außerdem unter anderem acht Jahre Geschäftsführer bei »Leder Meid«. (jwr)



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